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"Unser Tenor ist die Inklusion" - Über die OBA im BRK

Isabel Schibath leitet hauptamtliche im BRK-Kreisverband Neu-Ulm die Offene Behindertenarbeit, kurz OBA. Sie ist Sozialarbeiterin und -pädagogin und seit 2010 im Kreisverband tätig. Fabian Kraemer arbeitet seit 2016 im Kreisverband Ebersberg und leitet dort gemeinsam mit einem Kollegen die OBA. Seit über 20 Jahren ist er hauptamtlich im Roten Kreuz aktiv – insgesamt sind es aber schon mehr als 30 Jahre. Beide arbeiten mit Leidenschaft und Hingabe für die OBA und sprachen mit uns über die aktuelle Lage dieses wertvollen Bereichs.

Hallo Isabel! Hallo Fabian! Schön, dass wir über die OBA sprechen - aber was genau ist die OBA?

Isabel: OBA ist die Abkürzung für Offene Behindertenarbeit. Das Konzept ist festgelegt durch eine Richtlinie des Freistaat Bayern und der Bezirke. Die OBA gibt es in unserem Kreisverband seit 2010 – sie richtet sich an alle Menschen mit Behinderungen, ausgenommen sind dabei Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen. Dafür gibt es gesonderte Beratungsstrukturen. Unser OBA-Tenor ist aber die Inklusion, wir machen keine Unterschiede: Jeder und jede ist willkommen.

Fabian: So wird es bei uns auch gelebt, zudem bieten wir nicht nur Betroffenen, sondern auch Angehörigen und Interessierten eine Anlaufstelle. Die OBA ist ein sehr umfassendes Feld von der Beratung, bis hin zu gemeinsamen Aktivitäten. Unser Bildungs- und Freizeitprogramm für Menschen mit Behinderung bildet unser größtes Angebot ab. Aktuell sind die Wartelisten länger als die Anzahl an Personen, die wir aufnehmen können. Mich freut der Andrang, aber natürlich bedeutet das auch, dass wir leider nicht immer jeden Teilnahmewunsch erfüllen können. Aktuell können im Schnitt pro Person 2 bis 3 Angebote pro Quartal genutzt werden.

Isabel: Das ist bei uns ähnlich. Wir veranstalten zudem regelmäßig offene Treffs, bei denen Menschen mit Behinderung zusammenkommen und sich austauschen können. Über das ganze Jahr verteilt gibt es Ausflüge - auch zu Veranstaltungen, die ohnehin stattfinden. Wir ermöglichen es Menschen mit Behinderung an diesen Ereignissen teilzunehmen, was sie ohne die OBA oft nicht könnten.

Fabian: Ein weiterer wichtiger Teil der OBA ist die Beratung, diese richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern ist eben auch eine Anlaufstelle für Angehörige oder Interessierte, die mit dem Thema konfrontiert werden.

Und was zeichnet die OBA in eurem Kreisverband aus?

Isabel: Neben der OBA bieten wir auch den familienentlastenden Dienst an, der Angehörige entlastet. Und wir betreiben Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Freiwilligenmanagement, denn ohne die Ehrenamtlichen funktioniert die OBA nicht. Wir arbeiten mit insgesamt 40 Freiwilligen.

Fabian: So ist es auch bei uns, ohne das Ehrenamt geht nichts - bei uns sind es rund 20 Ehrenamtliche. Jede und jeder bringt individuell seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten in den Kreisverband, so ist bei uns beispielsweise eine Zumba-Gruppe angedacht oder während Corona gab es ein Plauder-Telefon und ein Zuhause-Programm. Wir arbeiten in der OBA zudem aktuell eng mit wheelmap.org, das bedeutet, dass wir prüfen, ob öffentliche Gebäude im Landkreis beispielsweise auch für Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich sind. Das fördert die Vernetzung im Landkreis und hilft auch, um auf die OBA aufmerksam zu machen.

Isabel: Es gibt vermutlich in keinem Kreisverband die eine besondere Sache, vielmehr versuchen wir überall, dass Menschen mit Behinderung aktiv eingebunden werden und wir ihre Wünsche erfüllen. Dafür haben wir beispielsweise den OBA-Rat ins Leben gerufen. In diesem Mitbestimmungsgremium kam in diesem Jahr der Wunsch nach einem Besuch im Freizeitpark auf und den werden wir umsetzen.

An wen können sich Betroffene wenden, wenn sie Hilfe benötigen?

Fabian: Wir erfassen in der Regel bei jedem Gespräch die Grunddaten der Person, um individuell auf die Bedürfnisse eingehen zu können. Dann ist man in der OBA registriert und bekommt alle 3 Monate das Informationsmaterial zugeschickt, damit kann man sich auch für unser Bildungs- und Freizeitprogramm anmelden.

Isabel: Wir versuchen alle Menschen, die sich an uns wenden zu unterstützen und vermitteln die Person an die richtige Stelle, wenn ihnen dort besser geholfen werden kann.

Wie ist die aktuelle Situation in der OBA?

Isabel: Wir verspüren einen großen Andrang, genau wie Fabian schon erwähnt hat. Als während der Corona-Pandemie keine Freizeitangebote möglich waren, war das definitiv ein Tiefpunkt für uns. In den letzten Monaten haben wir gemerkt, wie sehr die Menschen wieder raus wollen, Kontakte pflegen wollen. Der Bedarf war auch vor der Pandemie groß, aber es hat in meinen Augen das Bewusstsein verändert.

Fabian: Das kann ich unterschreiben. Wir haben derzeit einen Höchststand an Teilnehmenden.

Isabel: Mir bereitet dabei tatsächlich Kopfzerbrechen, dass wir auf der einen Seite ein großes Netz an Hilfe und Unterstützung haben, es aber auf der anderen Seite überall Engpässe gibt. Angehörige müssen um alles kämpfen und nachbohren. Es werden einem oft Steine in den Weg gelegt. Das ist deshalb dramatisch, weil wir eigentlich in einer guten Struktur leben. Das geht von der Aufnahme eines Kindes mit Behinderung in eine Regel-Kita bis zum Arbeitsplatz. Es ist ein permanenter Kampf selbst bestimmt leben zu können und man braucht einen langen Atem.

Fabian: Was aber schön ist, ist, dass wir in der Gesellschaft überwiegend auf Offenheit treffen, hier hat sich vermutlich aufgrund der derzeit stattfindenden Diskussionen rund um Inklusion viel getan. Wir können uns zum Glück wenig über die finanziellen Förderungen beschweren, da bin ich sehr dankbar, dass der Staat diesen Bereich nicht vergisst - weil es ohne das nicht möglich wäre. Klar, es könnte immer mehr sein, aber an sich geht es uns gut.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag in eurem Beruf aus?

Fabian: Das großartige an der OBA ist, dass man das so nicht sagen kann. Ich weiß nicht, was mich nächste Woche erwartet. Gestern war ich bis 22 Uhr im Büro und habe aber erst um vier begonnen. Mal bin ich im Büro, mal draußen – ich bin viel mit verschiedenen Leuten in Kontakt und habe eine gesunde Abwechslung. Es ist immer wieder anders und immer wieder neu. Nach 20 Jahren kann ich sagen, dass es mir nie langweilig wird und ich den Job immer noch sehr gerne mache.

Isabel: Ich bin viel im Büro, wo ich vorbereite oder organisiere und Beratungen anbiete. Dabei bereitet mir besonders der Kontakt zu den Menschen Freude. Das macht den Job für mich ganz besonders. Wir können sehr frei arbeiten und unser Angebot ist ja freiwillig - das heißt, dass die Leute gerne bei uns sind.

Was wünschst ihr euch für die Zukunft der OBA?

Isabel: Sicherheit und Akzeptanz. Nicht nur für die OBA, sondern für alle, mit denen wir zu tun haben. Sicherheit deshalb, damit es die OBA weiterhin gibt. Akzeptanz, damit unsere Arbeit wertgeschätzt wird und ebenso die Menschen mit Behinderung, die sie benötigen. Ich wünsche mir, dass wir Menschen nicht auf die Behinderung reduzieren, sondern das sehen, was sie können.

Fabian: Und ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen auf die OBA aufmerksam werden, nicht nur, um das Angebot anzunehmen, sondern auch, um bei uns ehrenamtlich mitzuwirken. Wir freuen uns über jegliche Form des Zuwachses!