Nach über 20 Jahren in der internationalen Arbeit des BRK zieht sich Eva-Maria Stary aus diesem Bereich zurück, um sich künftig ausschließlich dem Suchdienst zu widmen. Zu diesem Anlass erhielt sie die Henry-Dunant-Medaille. Wir haben mit ihr in die Vergangenheit und die Gegenwart dieser beiden Bereiche geschaut.
20 Jahre im Suchdienst und dem Landesauskunftsbüro – welche Erlebnisse bleiben besonders im Gedächtnis?
Die Suchdienstarbeit ist für mich eine sehr erfüllende Aufgabe zusammen mit einem tollen Team. Jedes Mal, wenn wir Menschen wieder miteinander in Kontakt bringen können, ist das für uns eine Freude und Bestätigung unserer Arbeit. Eines meiner persönlichen Highlights waren für mich die Besuche der iranischen Suchtdienstkolleginnen in 2016 und 2018. Der fachliche Austausch hat gezeigt, dass wir im weltumspannenden Netz des Roten Kreuzes alle nach den gleichen Grundsätzen arbeiten und der Suchdienst nur im Netzwerk erfolgreich ist.
Was sind Beispiele aus der internationalen Arbeit des BRK?
Alle Aktionen und Projekte mit Rotkreuz-Partnergesellschaften im Ausland müssen vorher mit dem DRK Generalsekretariat (GS) abgestimmt werden. So haben z.B. in Marokko und Albanien bayerische Wasserwachtler im Auftrag des GS Wasserrettungsstrukturen aufgebaut. Sie unterrichteten dort angehende Wasserretter, die dann als Multiplikatoren ihr Wissen weitergeben. Einige Kreisverbände unterhalten zum Teil jahrzehntelange Partnerschaften mit ausländischen RK-Gesellschaften und unterstützen sie mit Hilfsgütern, Ausstattung und Know-How. Da sind richtige Freundschaften entstanden.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Generalsekretariat des DRK aus?
Das Generalsekretariat (GS) in Berlin koordiniert die Auslandshilfe des DRK. Wo ist aktuell Bedarf, wo gibt es Schwerpunkte? Die Kreisverbände kamen auf mich zu, wenn sie Hilfstransporte durchführen möchten. Dazu brauchen sie die Zustimmung des Bundesverbands. Auch bei längerfristigen Projekten gibt es mit dem GS viel abzustimmen und zu klären, damit die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird.
Was hat sich über die Zeit im Suchdienst verändert?
Im Kern ist die Arbeit gleichgeblieben: Wir helfen Menschen, die durch bewaffnete Konflikte, Flucht oder Migration voneinander getrennt wurden dabei ihre Angehörigen zu finden, sie miteinander in Kontakt zu bringen und zu vereinen. Früher lag der Fokus auf den Folgen des 2. Weltkrieges. Aufgrund der Flüchtlingsbewegung liegt unser Schwerpunkt heute im Bereich Internationale Suche und Familienzusammenführung von und zu Geflüchteten. Auch die Technik hat sich verändert. Während nach dem 2. Weltkrieg mit Vermisstenbildlisten nach Soldaten gesucht werden konnte, ist heute die Suche über die RK-Online-Plattform „Trace the Face“ möglich, die weltweit verfügbar ist. Dort sind die Fotos von suchenden Personen hinterlegt. Der Datenschutz ist dabei sehr wichtig.
Wie können wir uns so eine Suchanfrage vorstellen?
Gemeinsam mit einer Suchdienstberater:in wird ein Suchantrag ausgefüllt. Dieser wird den Suchdiensten in den Ländern übermittelt, wo die vermisste Person vermutet wird; wenn die Region von bewaffneten Konflikten betroffen ist, geht der Suchantrag an das IKRK in Genf und von dort an die zuständige IKRK-Delegation. Vor Ort nehmen die Kollegen die Suche auf. Wichtig ist, dass die gefundene Person erst gefragt wird, ob sie tatsächlich Kontakt haben will. Das klingt umständlich, dient aber dem Schutz des Gefundenen, der möglicherweise keinen Kontakt wünscht.
Wie findet man Menschen 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs?
Der DRK Suchdienst hat eine digitalisierte Namenskarteivon 20 Millionen Menschen, die in Deutschland nach dem Krieg vermisst werden. In den 1990er Jahren erhielt der Suchdienst aus den Archiven der ehemaligen UdSSR viele neue Informationen. Aus diesen Quellen können wir Auskünfte erteilen, wenn bspw. Angehörige mehr über Ihre Vorfahren erfahren möchten.
Welche Probleme gibt es bei den Beratungen zur Familienzusammenführung?
Viele Menschen, die vor Kriegen geflohen und getrennt worden sind, möchten ihre Familie zu sich holen. Wir beraten sie zu den rechtlichen Möglichkeiten der Familienzusammenführung nach dem Aufenthaltsgesetz und zu den praktischen Fragen eines Nachzuges. Wir helfen beim Ausfüllen von Visumanträgen und unterstützen beim Kontakt mit Auslandsvertretungen und den Ausländerbehörden. Dabei gibt es viele Vorgaben zu beachten, und die Hürden sind sehr hoch. Bis die Familie tatsächlich einreisen kann vergehen manchmal mehrere Jahre, und die weltweite Pandemie hat die Probleme noch verstärkt. Doch wir haben auch schöne Erfolge. Ich weiß von einer Mutter, die schon in Deutschland ist, und jetzt endlich ihre Kinder (6 und 7 Jahre) nachholen kann.