Bei Großschadensereignissen, Naturkatastrophen oder auch im Zivilschutzfall stellen die ehrenamtlichen Helfer*innen des Katastrophenschutzes je nach Fachdienst die medizinische Versorgung, den Transport von Verletzten und Erkrankten in Krankenhäuser sicher, betreuen unverletzte in Notunterkünften, verpflegen Betroffene und Einsatzkräfte, kümmern sich um Logistik, Technik und Kommunikation oder klären die Schicksale von Vermissten auf.
Großschadenslagen treten immer häufiger auf – auch bei uns in Bayern. Entsprechend wichtig ist eine Stärkung des Katastrophenschutzes und weiterer spezieller Fähigkeiten und Ressourcen.
Der Katastrophenschutz in Bayern ist bereits heute sehr leistungsfähig aufgestellt, orientiert sich jedoch überwiegend an Großschadenslagen und den daraus resultierenden Bedarfen. Ein Einbezug von Strukturen, die klassischerweise nicht im Einsatzbereich zu verorten sind (z. B. Pflege, kritische Infrastrukturen, ...) erfolgt nur anlassbezogen und nicht standardmäßig
Der Katastrophenschutz in Bayern muss moderner und flexibler werden. Eine Ausrichtung am tatsächlichen Bedarf muss gewährleistet sein. Ein Engagement im Katastrophenschutz muss attraktiver werden, moderne Motivatoren sind erforderlich. Dabei ist es wichtig und notwendig, auch soziale Dienste außerhalb des klassischen Katastrophenschutzes (z. B. Pflege) in die Überlegungen eines modernen Katastrophenschutzes einzubeziehen.
Die Einheiten des Katastrophenschutzes werden flächendeckend in Bayern vorgehalten. Nur vereinzelt sind Spezialressourcen dort vorhanden, wo spezielle Gefährdungen (bspw. Raffinerien, Flughäfen, ...) bekannt sind. Eine Orientierung an weiteren Einflussfaktoren, wie Demografie, Kliniklandschaft etc., gibt es derzeit nicht.
Der Katastrophenschutz und die ständige Weiterentwicklung müssen an Schutzzielen ausgerichtet werden. Die Erstellung der Schutzziele muss standardisiert und unter Einbezug aller Experten und Beteiligten im Katastrophenschutz erfolgen. Schutzziele müssen sich an aktuellen Bedarfen ausrichten und alle Leistungsbereiche des Bevölkerungsschutzes berücksichtigen.
Als Auxiliar des Staates und der Behörden und im Bewusstsein für die Bedeutung des freiwilligen Engagements nimmt das Bayerische Rote Kreuz stets kompetent und zuverlässig gesellschaftlich wichtige und notwendige Aufgaben wahr. Essenziell ist dabei auch weiterhin der Dialog mit den politisch Handelnden.
Vor allem in Krisen- und Einsatzsituationen ist es entscheidend, dass das richtige Personal und Material an der richtigen Stelle zum Einsatz kommt. Das muss schnell und zielgerichtet erfolgen. Deshalb ist es wichtig, dass die Expertise des Bayerischen Roten Kreuzes mit Fachberatern „Land“, „Wasser“ und „Berg“ in Stabsstrukturen, örtlichen Einsatzleitungen sowie weiteren staatlichen Krisenplänen eine ständige Berücksichtigung als Fachberater findet. Hierzu bedarf es einer Standardisierung des Einbezugs der Expertise des Bayerischen Roten Kreuzes bei der Vor- und Nachbereitung, aber auch bei der Bewältigung von Einsätzen sowie der strategischen Weiterentwicklung des Kata-strophenschutzes.
Der Freistaat Bayern hat mit dem Bayerischen Zen-trum für Alpine Sicherheit und Ausbildung (BayZAS), dem Bayerischen Zentrum für besondere Einsatzlagen (BayZBE) und dem geplanten Bayerischen Wasserrettungszentrum (BayWRZ) ein europaweit einmaliges Aus- und Weiterbildungsangebot im Katastrophenschutz geschaffen. Dieses muss stetig weiterentwickelt und an die neuen und mehr werdenden Gefahren und Risiken angepasst werden.
Das BRK trägt dafür Sorge, dass die Einsatzkräfte eine entsprechende Ausbildung erhalten. Das BayZBE, das BayWRZ und das BW-ZAS (inkl. BayHsZ) müssen weiterhin durch finanzielle Förderungen des Freistaates Bayern befähigt und ausgebaut werden, um die speziellen und weiterführenden Anforderungen an die Ausbildungen im Katastrophenschutz als Ergänzung zur Basisausbildung erfüllen zu können. Auch moderne und neuartige Lehr- und Lernmethoden müssen gefördert werden. Ein Einbezug externer Experten zu speziellen Themen sollte ausgebaut werden.
Ein moderner Katastrophenschutz muss ständig weiterentwickelt und an die aktuellen Gefahren und Risiken adaptiert werden. Dies macht es notwendig, in standardisierten Verfahren zurückliegende Einsätze aufzuarbeiten und Erkenntnisse in zukünftige Einsätze konzeptionell zu überführen.
Dieser Kreislaufprozess muss standardisiert und professionell begleitet werden, beispielsweise durch den Einbezug und die Berücksichtigung der Expertise aller zur Katastrophenhilfe verpflichteten Hilfsorganisationen bei der Vorbereitung und Nachbetrachtung von Einsätzen sowie der strategischen Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes. Dies kann beispielsweise durch die Einrichtung eines ständigen Expertenrates mit Vertreter*innen der bayerischen Hilfsorganisationen und weiteren Behörden mit Sicherheitsaufgaben im Bayerischen Staatsministerium des Innern erreicht werden.
Die Einbindung von Spontanhelfer*innen muss systematisiert und verbessert werden. Es müssen Führungsstrukturen etabliert werden. Hilfe muss bedarfsgerecht und zielgerichtet erfolgen, auch und gerade dann, wenn sie durch Spontanhelfende erbracht wird.
Der strukturierte Einsatz von Spontanhelfenden und die Information der Bevölkerung können wichtige Bausteine einer erfolgreichen Einsatzabwicklung sein. Hierfür müssen professionelle Systeme bereitgestellt werden, die es den unprofessionellen Spontanhelfenden ermöglichen, ohne Eigengefährdung und nach den jeweiligen Bedarfen und Möglichkeiten zu helfen. Das TEAM BAYERN des Bayerischen Roten Kreuzes könnte hierfür die Grundlage bilden.
Die Katastrophenschutzeinheiten und deren Material werden teilweise vom BRK selbst gestellt, teilweise vom Freistaat Bayern und teilweise vom Bund. Direkte Einsatzkosten werden nur anteilig, je nach Höhe der Einsatzkosten, refinanziert.
Die Refinanzierung des Katastrophenschutzes, gegliedert in die Bereiche Vorbereitung, Einsatz, Nachbereitung und hauptamtliche Administration, muss einer angemessenen staatlichen Refinanzierung gegenüberstehen. Eine kostendeckende Refinanzierung dieser Bereiche des zukünftigen Katastrophenschutzsystems durch den Freistaat Bayern und der Gebietskörperschaften ist dabei essenziell. Etwaige Eigenanteile müssen für die Organisationen finanzierbar bleiben.
Es gibt keine standardisierten übergeordneten Prozesse, die eine gemeinsame Weiterentwicklung unter Einbezug aller Kenntnisse innerhalb des Katastrophenschutzes steuern, um einen bestmöglichen Mehrwert zu generieren. Ein solcher Prozess muss zukünftig unter Beteiligung aller Katastrophenschützer etabliert werden.
Einbeziehen des BayWRZ, des BW-ZAS (inkl. BayHsZ) und des BayZBE in die Katastrophenhilfe als Stellen zur Koordination von Weiterentwicklungen und als Schulungszentren für besondere Einsatzlagen und die bedarfsgerechte Ausbildung der Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes. Der Ausbau und Betrieb des BayZBE, des BayWRZ sowie des BW-ZAS (inkl. BayHsZ) muss weiter durch den Freistaat maßgeblich unterstützt werden. Es wird ein Verbund an Zentren geschaffen und stetig entwickelt, in denen die Expertise zu speziellen Anforderungen im Katastrophenschutz gebündelt werden und ein zielgerichteter Wissenstransfer ermöglicht wird.
Die Vernetzung aller an der Bewältigung eines Kata-stropheneinsatzes beteiligten Organisationen und KRITIS Partner muss systematisiert und stetig verbessert werden. Die nahtlose Zusammenarbeit und ein wachsendes Verständnis für die unterschiedlichen Anforderungen untereinander sind wesentliche Erfolgskriterien der Einsatzbewältigung.
Starke Vernetzung aller Partner im Katastrophenschutz zur Optimierung der Leistungsfähigkeit. Eine Hilfeleistung über die bayerischen Grenzen hinaus bedarf einer systematisierten Struktur zur Schnittstellenbildung im länderübergreifenden Einsatz. Dies ermöglicht eine zielgerichtete und ressourcenschonende Hilfe. Zudem sollte die Fachexpertise des Bayerischen Roten Kreuzes in die Planungen des StMI zur Errichtung eines „Lagezentrums Bayern“ einbezogen und berücksichtigt werden.
Ein moderner Katastrophenschutz muss bedarfsgerecht und modular aufgebaut sein. In Zeiten begrenzter materieller und personeller Ressourcen muss der Katastrophenschutz effizient und wirtschaftlich arbeiten. Spezialressourcen, wie watfähige oder geländegängige Fahrzeuge, müssen dort vorgehalten werden, wo der Bedarf besteht, und gleichzeitig für überregionale Einsätze zur Verfügung stehen..
Zukunftsorientierte Ausrichtung eines agilen Katastrophenschutzsystems unter den Aspekten Modularität, Bedarfsorientierung und Digitalisierung. Die Digitalisierung aller relevanten Prozesse muss unter Wahrung von Redundanzen vorangetrieben werden. Der Aufbau von Lagerkapazitäten mit Gütern für Großschadenslagen muss erfolgen. Eingelagerte Güter müssen im Regelbetrieb Verwendung finden, um finanzielle Aufwände und materielle Schäden gering zu halten.
Die Anforderungen und Anpassungen an Einsatzszenarien, beispielsweise Starkregenereignisse, erfordern auch bei den Wasserrettungskräften eine größtmögliche Vorbereitung auf diese Lagen. Damit Übungsszenarien regional dargestellt und auch die Kräfte für nötige Großschadenslagen gebündelt werden können, entstehen pro Großübung Kosten im oberen fünfstelligen Bereich.
Deshalb ist ein jährliches staatliches Budget, das für die Planung und Ausführung von Großübungen verwendet werden kann, notwendig.
Die Rolle sorgender Gemeinschaften an der Schnittstelle von Pflege, Beratung und Sozialraum ist in der Generierung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes elementar. Träger wie Mehrgenerationenhäuser, Nachbarschaftshilfen, Mütter- und Familienzentren, Beratungsstellen für pflegende Angehörige und Kleiderläden, die alle beim BRK zu finden sind, spielen eine wesentliche Rolle.
Im Ernstfall tragen diese Strukturen dazu bei, dass ehrenamtliche Netzwerke im komplexen Hilfeleistungssystem funktionieren und behördliche Strukturen entlasten. Ziel muss sein, dass sorgende Gemeinschaften nachhaltig finanziert werden, indem klare Richtlinien für die Eigenmittel der Träger festgelegt werden. Zusätzlich sollten die Förderprogramme übersichtlicher gestaltet und längere Bewilligungszeiträume eingeführt werden. Der Freistaat Bayern sollte sich aktiv im Bundesrat und anderen politischen Gremien dafür einsetzen, um bessere Förderstrukturen zu erreichen und besonders wichtige Bundesprogramme, wie die "Anlaufstellen für Bildung und Bürgerschaftliches Engagement", notfalls auf Landesebene weiterführen.
Eine Datengrundlage wird meistens auf Organisations- und Landkreisebene erstellt. Es ist meistens nicht gewährleistet, dass (Einsatz- oder Lage-)Daten außerhalb und innerhalb eines Einsatzes allen Beteiligten gleichermaßen und zeitgleich zur Verfügung stehen. Dies erschwert teils Einsatzbewältigungen und Effizienz geht verloren.
Etablierung einer ständigen hilfsorganisationsübergreifenden Struktur für die BOS zur Bereitstellung geeigneter (Einsatz-)Informationen und als Unterstützung im Einsatz. Alle am Katastrophenschutz beteiligten Organisationen müssen einen Zugriff auf eine gleiche Datengrundlage haben, die der Bewältigung einer Schadenslage dient. Dabei muss darauf geachtet werden, dass aktuelle Daten vorliegen und nur solche Daten verarbeitet werden, die im Rahmen der Schadensbewältigung einen Mehrwert bieten. Die Datenpflege muss durch eine zentrale Stelle erfolgen.
Die im Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, verortete „Führungsgruppe Katastrophenschutz Bayern“ nutzt die Systeme „GeoKat“ und „epsWEB“, auf die allerdings die Spitzenverbände der Hilfsorganisationen keinen Zugriff haben. Die Schaffung eines Zugriffs auf diese Plattformen könnte das Informationsdefizit in der Einsatzbewältigung beseitigen.