Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern führte erfolgreiche Verhandlungen über einen Nachtrag zum bayerischen Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI. Diese Maßnahme war dringend erforderlich, um den bundesweit geltenden Maximal-Personalschlüssel nach § 113c Abs. 1 SGB XI zu berücksichtigen und somit den Erhalt der bisherigen Personalausstattung zu sichern.
Bisherige Regelungen und Änderungen im Überblick
„Der bisherige bayerische Rahmenvertrag enthielt weder feste Mindest- noch Maximal-Personalschlüssel“, so BRK-Landesgeschäftsführerin Dr. Elke Frank. „Der neue Rahmenvertrag ist ein großer Schritt in Richtung standardisierter Qualitätssicherung und Personalausstattung in Bayerns Pflegeeinrichtungen.“
Auf Basis einer Vereinbarung der Landespflegesatzkommission galt jedoch ein maximaler Personalschlüssel von 1:2,44 in Bayern. Zusätzlich konnte ein pflegegradunabhängiger Schlüssel für "Sonstige Dienste Pflege und Betreuung" in Höhe von 1:26,4 verhandelt werden.
Mit dem Nachtrag zum Rahmenvertrag wird nunmehr eine solide Basis geschaffen:
- Der Mindestpersonalschlüssel beträgt durchschnittlich 1:2,44 für Tag- und Nachtdienste, basierend auf der bayerischen Pflegegradverteilung. Eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden wird zugrunde gelegt, wobei der Anteil an Fachkräften bei mindestens 43 Prozent liegt.
- Die Personalobergrenze liegt bei durchschnittlich 1:2,24 für Tag- und Nachtdienste, wobei der Fachkräfteanteil individuell höher als 43 Prozent vereinbart werden kann.
- Zusätzlich können pflegegradunabhängige Sonderfunktionen wie Verantwortliche Pflegefachkräfte, Qualitätsmanagement, Hygienemanagement und Multiplikator*innen für Gerontopsychiatrische Pflege vereinbart werden.
- Bisher vereinbartes Zusatzpersonal nach § 8 Abs. 6 und/oder § 84 Abs. 9 SGB XI (zusätzliche Pflegefach- und Hilfskräfte) wird dabei in die neue Pflegesatzvereinbarung übertragen. Diese Kräfte werden daher nicht mehr weiter direkt von den Pflegekassen refinanziert, sondern über die Bewohner. Dadurch steigen deren Kosten.
Weitere Schritte
Nach über einjährigen, herausfordernden Verhandlungen konnte eine Einigung auf den "Nachtrag zum Rahmenvertrag für die vollstationäre Pflege in Bayern gemäß § 75 SGB XI" erzielt werden. Dieser trat zum 1. Juni 2023 in Kraft und bietet klare Richtlinien für die Personalbemessung in Pflege und Betreuung. Die Vorgaben zum Mindestpersonalschlüssel und zu den Personalobergrenzen traten zum 1. Juli 2023 in Kraft.
Dieser Landesrahmenvertrag ist allerdings nicht bindend für die Einrichtungen der Pflege im Freistaat Bayern. Jede Einrichtung kann entscheiden, ob sie auf Basis der neuen Regelungen verhandelt oder die bisherige Personalausstattung fortbestehen soll. Auch innerhalb des Bayerischen Roten Kreuzes ist die Inanspruchnahme des Rahmenvertrages nicht einheitlich geregelt, da einige einrichtungsindividuelle Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um nach dem neuen Rahmenvertrag zu verhandeln.
Der neue Rahmenvertrag geht mit Kostensteigerungen einher, die sich auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen auswirken werden. „Allgemeine Teuerungen, wie Energie- und Lebensmittelpreise, aber auch Tarifsteigerungen und insgesamt höhere Personalkosten, wirken sich auch auf die Pflege aus. Es ist davon auszugehen, dass unabhängig des neuen Rahmenvertrages die Eigenanteile in allen Einrichtungen erhöht werden“, so BRK-Landesgeschäftsführerin Dr. Elke Frank. „Diese Kosten werden nur in Teilen von der Pflegeversicherung übernommen und werden infolgedessen in den Eigenanteilen spürbar. Wohlwissend, dass das für viele eine weitere Kostenbelastung darstellt, werben wir um Verständnis und Akzeptanz – setzen uns aber vor allem weiterhin dafür ein, dass Pflege bezahlbar bleibt und bezahlbarer wird.“
Bei der Refinanzierung der Heimkosten gab es durch das Pflegeunterstützungs- und
-entlastungsgesetz (PUEG) Änderungen an den seit 1. Januar 2022 von den Pflegekassen refinanzierten Zuschlägen zur Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen nach § 43c SGB XI. Hierdurch werden die Zuschläge ab dem 1. Januar 2024 um jeweils 5 % steigen. So beträgt beispielsweise der Zuschlag bei einer Verweildauer von 0 bis 12 Monaten statt 10 % von da an 15 %. „Diese Maßnahme reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die Kostensteigerungen abzufangen. Daher wäre hier dringend nachzubessern“, fordert BRK-Landesgeschäftsführerin Dr. Elke Frank.
Trotz dieser qualitativen Fortschritte in der Personalbemessung sind weitere Anpassungen im bayerischen Ordnungsrecht notwendig, um eine nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten. So gibt es zur Umsetzung der Fachkraftquote ab dem 1. Juli 2023 bisher nur ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) an die „Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht“ (FQA, ehemals Heimaufsicht). In diesem wird dargelegt, dass die personellen Mindestanforderungen als erfüllt gelten, wenn vollstationäre Pflegeeinrichtungen Pflegsatzverhandlungen nach dem Nachtrag zum Rahmenvertrag abschließen und dabei mindestens der Mindestpersonalschlüssel nach § 1 des Nachtrags zum Rahmenvertrag verhandelt wurde.
Allerdings müssen die Pflegeeinrichtungen vor dessen Umsetzung immer noch einen Antrag nach § 51 Abs. 4 AVPfleWoqG bei der FQA stellen. Die FQA hat diesen Anträgen nach einer aktuellen Weisung des StMGP zuzustimmen, tut dies aktuell allerdings nicht immer ohne weiteres. „Es braucht eine Änderung des bayerischen Ordnungsrecht um Klarheit für alle am Prozess Beteiligten zu schaffen und unnötige bürokratische Prozesse zu verschlanken“, so BRK-Landesgeschäftsführerin Dr. Elke Frank. Das Ordnungsrecht muss demnach an das geänderte Leistungsrecht angeglichen werden.
Mit der Einführung der Pflegepersonalbemessungsverfahren nach § 113c SGB XI werden zukünftig bundeseinheitliche Bemessungsgrößen für Pflege- und Betreuungspersonal eingeführt.
Neben Maßnahmen zur Organisations- und Personalentwicklung wird für die Qualitätssteigerung der Pflege und Betreuung der zukünftig stärkere qualifikations- und kompetenzorientierte Pflegepersonaleinsatz entscheidend sein. Das bedeutet, dass Pflege- und Betreuungskräfte deutlich mehr als bisher entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden, auch um die knappe, aber wichtige Ressource „Pflegezeit“ bestmögliches zu verteilen. So wird beispielsweise für die Pflege und Betreuung von pflegebedürftigen Personen mit hohem Pflegegrad eine höherer Pflegefachkrafteinsatz gefordert und zur Verfügung gestellt, um die komplexen Anforderungen an die individuelle Risiko- und Pflegesituation gerecht zu werden.