· Pressemitteilung

"Vom Suchen und Finden in den Wirren der Geschichte": 70 Jahre Suchdienst

Frau A. flieht mit ihrem Mann aus Syrien nach Deutschland. Zurück blieb das jüngste Kind der Familie, ein Mädchen und erst drei Monate alt. Hala H. lebt schon länger in München und versucht ohne Erfolg ihre Schwester Yasmin aus Damaskus nachzuholen. Die Schwester kommt trotzdem, auf eigene Faust, alleine, als Bootsflüchtling über das Mittelmeer. Das Boot kentert, die Schwester wird gerettet und auf einen Öltanker verfrachtet, dort wird sie festgesetzt, nur ein Hilferuf zur Schwester nach Deutschland wird gestattet. Spätestens hier tritt der Suchdienst des Roten Kreuzes in Aktion.

 

Das sind zwei Beispiele aus der Arbeit des Suchdienstes  des Roten Kreuzes. "Ungewissheit über das Schicksal eines geliebten Angehörigen ist genauso schwer zu ertragen wie physisches Leid." Diese Feststellung 1948 auf der Internationalen Rotkreuz-Konferenz in Stockholm formuliert, ist heute genauso wahr und richtig wie damals. Brigitte Meyer, Vizepräsidenten des Bayerischen Roten Kreuzes "Die Arbeit des Suchdienstes ist auch heute, 70 Jahre nach seiner Gründung unverzichtbar und aktuell."

 

Suchanfragen von Flüchtlingen und Migranten

 

Der Suchdienst unterstützt Menschen, die durch bewaffnete Konflikte, Katastrophen, Flucht, Vertreibung oder Migration von ihren Nächsten getrennt wurden, er hilft  Angehörige zu finden und sie wieder miteinander in Kontakt zu bringen und Familien zu vereinen. "Die Arbeit des Suchdienstes hat einen hohen humanitären Stellenwert. Er ist heute genauso wichtig wie nach seiner Gründung vor 70 Jahren, " sagt Brigitte Meyer. Das kleine Mädchen der syrischen Familie konnte  mit Hilfe des Suchdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes zu ihren Eltern nachkommen. Auch die im Mittelmeer gekenterte und verschollene Schwester Yasmin wurde gefunden, in einem Flüchtlingslager auf Kreta. Heute lebt sie in Heidelberg in einer Flüchtlingsunterkunft.

 

Besonders Flüchtlinge aus Afghanistan, aus Syrien, aus Somalia, Äthiopien und aus dem Irak suchen die 9 Beratungsstellen des BRK auf. Vizepräsidentin Brigitte Meyer: "Im Rahmen unseres internationalen Netzwerks arbeiten wir weltweit mit den 189 Nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes sowie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz in Genf zusammen."

 

Family Links Poster - "Migrants in Europe"

 

Ein halbes Jahrhundert nach den Kindersuchplakaten des Zweiten Weltkrieges und den Befragungen von Kriegsheimkehrern mit der Hilfe von Listen mit Bildern der Gesuchten, führt der Suchdienst auch heute Menschen erneut mit der Hilfe von Fotos zusammen. Im Herbst 2013 starteten 18 europäische Rotkreuz Gesellschaften und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in einem gemeinsamen Projekt "Family Links Poster - Migrants in Europe". "Es wurde für Flüchtlinge in Europa entwickelt, die auf der Flucht ihre Angehörigen verloren haben und annehmen, dass sie in einem europäischen Land leben," sagt Brigitte Meyer. Sie können ihr Foto im Internet unter www.familylinks.org einstellen. Parallel werden diese Bilder über Plakate europaweit veröffentlicht, zusammen mit dem Hinweis, welche Familienangehörigen die betreffenden Personen suchen. Brigitte Meyer: "Wir geben Schicksalen ein Gesicht."

 

 

Familienzusammenführung aus Osteuropa 

 

Die Entwicklungen in Osteuropa und in Russland waren in der Geschichte des Suchdienstes immer zentrale Themen. Die politischen Umbrüche im Ostblock führte in den 1980er Jahren zu einer großen Ausreisewelle. Im Jahr 1990 zogen 400 000 Aussiedler deutscher Volkszugehörigkeit  im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland. Auch im Jahr 2015 helfen die Mitarbeiter des Suchdienstes bei der Beratung von Menschen, die  aus Osteuropa oder aus Russland Familienmitglieder  deutscher Abstammung nach Deutschland holen wollen. Hierfür hat die Bundesrepublik das Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz. (BVFG) geschaffen. Die große Welle der Aussiedler ist zwar kleiner geworden, dennoch bezieht sich rund 35 Prozent der bayerischen Beratungen auf Fälle der Spätaussiedler. Auf diesen Weg konnte Aljona B. aus Kasachstan, 15 Jahre alt zu ihrer Großmutter nach K. kommen. Ihre Eltern waren gestorben, als sie 12 Jahre alt war. Sie hatte keine Verwandten mehr in Kasachstan, die Behörden schoben sie ab in ein Kinderheim. Die Idee, das Kind zu ihren Großeltern nach Deutschland ausreisen zu lassen, wurde von den Behörden in Kasachstan über lange Zeit abgelehnt. Drei Jahre hat es gedauert, bis es gelang die Bewilligungen zu erhalten, dass Aljona B. endlich zu ihren Großeltern nach Deutschland durfte. Brigitte Meyer: "Dieser Fall zeigt, es lohnt sich immer alles zu versuchen. Das Mädchen besucht heute die Mittelschule, es will Erzieherin werden und ist nicht mehr allein auf sich gestellt, das ist ein Gewinn für die ganze Familie.

 

Der Suchdienst ist eine Kernaufgabe der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. In Deutschland werden die Suchaufträge an den DRK-Suchdienst-Standorten Hamburg und München sowie deutschlandweit in rund 80 Suchdienst-Beratungsstellen  angenommen, beraten und betreut.