Diakonie-Präsidentin Dr. Sabine Weingärtner: „Wir haben im vergangenen Jahr mehrfach darauf aufmerksam machen müssen: Die Zukunft vieler sozialer Einrichtungen und ihrer Träger ist massiv bedroht. Der Fachkräftemangel, gestiegene Kosten in nahezu allen Bereichen, eine hohe Inflation und eine unsichere Finanzierung durch die Kostenträger bringen immer mehr Anbieter sozialer Leistungen in eine wirtschaftliche Schieflage, die bis zur Insolvenz führen kann.“
Die diesjährige Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege, BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer, betonte:
Angesichts gesellschaftlicher Veränderungen und zunehmender Verteilungskämpfe steht unser gesamtgesellschaftliches Gefüge unter massivem Druck und auch die Freie Wohlfahrtspflege Bayern vor der Aufgabe, ihr Selbstverständnis und ihr gemeinnütziges Profil zu aktualisieren und zeitgemäß darzustellen. Wir, die Freie Wohlfahrtspflege, sind das soziale Netz Bayerns und repräsentieren die Gesamtheit aller sozialen Hilfen, die auf freigemeinnütziger Grundlage und in organisierter Form in Bayern erbracht werden. Wir sind Anwalt und Beistand für Bürgerinnen und Bürger, für Hilfebedürftige und Benachteiligte, für Kranke, Behinderte, Senioren, Kinder und Jugendliche, für sozial Schwache und für Menschen, die durch ihr Schicksal auf die Schattenseite des Lebens geraten sind.
Die Freie Wohlfahrtspflege Bayern betont, den aus ihrer Sicht bestehenden und eng verknüpften Zusammenhang zwischen Wohlfahrt, Wirtschaft und Wohlstand in unserem Land: „In unserem gesamtgesellschaftlichen Gefüge gibt es „3 W’s“, die unmittelbar aufeinander aufbauen, voneinander abhängig sind und sich gegenseitig bedingen. Wohlfahrt, Wirtschaft und Wohlstand. Ohne soziale Wohlfahrt kann es in Deutschland keine funktionierende Wirtschaft und damit keinen Wohlstand geben. Für diesen Zusammenhang brauchen wir das Verstehen und einen breiteren Konsens in der Gesellschaft und auch in der Politik“, so die diesjährige Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer.
Neben wirtschaftlichen Krisen beobachtet die Freie Wohlfahrtspflege jedoch auch eine Verschärfung im politischen Diskurs, die konkrete Folgen für die Arbeit der Verbände habe, dazu Diakonie-Präsidentin Dr. Sabine Weingärtner: „Die Angriffe auf die Demokratie, die wir in den letzten Wochen und Monaten beobachten mussten, sind ein direkter Angriff auf die Menschen, die bei uns Unterstützung und Hilfe suchen. Das gilt für Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie für Menschen mit einer Behinderung, aber auch für Empfängerinnen und Empfänger der Bürgergeldes. Wenn das Bürgergeld als ‚subventioniere Arbeitslosigkeit‘ bezeichnet wird, werden damit nicht nur Fakten verdreht und Menschen deklassiert. Es wird ein Ton angeschlagen, der spaltet, statt zu versöhnen.“
„Zentral steht für uns immer der Mensch im Mittelpunkt – sei es als Fachkraft oder als Person, die einen der wichtigen Dienste in Anspruch nimmt“, so Meyer.
Aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege bedarf es umfassender, aber pragmatischer Ansätze, um den Herausforderungen unserer Zeit besser begegnen zu können, betont Brigitte Meyer: „Ob bevorzugte Arzttermine für Pflege- oder Erziehungskräfte, um krankheitsbedingte Ausfälle zu minimieren, ein grundsätzliches Überdenken der Finanzierungssystematiken oder auch eine Stärkung der präventiven Angebote und der geriatrischen Rehabilitation, um den Menschen ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen und damit auch die Pflegeeinrichtungen zu entlasten - das sind wichtige Punkte, die aus unserer Sicht zeitnah angegangen werden müssen.“ Hierzu wird die Freie Wohlfahrtspflege anlässlich des diesjährigen 100-jährigen Jubiläums einen umfassenden Maßnahmenkatalog veröffentlichen.
Deutliche Worte findet die neue Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer, auch zur Versorgungssituation in der ambulanten Pflege: „Die ambulante Pflege in Bayern steht am Scheideweg: Kostenexplosion und Personalmangel gefährden die flächendeckende Versorgung. Trotz enormer Anstrengungen der Wohlfahrtsverbände reicht die Refinanzierung durch die Krankenkassen nicht aus, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen. Eine Erhöhung der Wegepauschalen ist dringend erforderlich, um eine akute Versorgungskrise abzuwenden.“
In der Freien Wohlfahrtspflege Bayern sind das Bayerische Rotes Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt, der Landes-Caritasverband Bayern, die Diakonie Bayern, der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband Bayern organisiert.
Gemeinsam erbringen die Verbände mit über 455.000 hauptamtlichen und rund 136.500 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen rund 75 Prozent aller sozialen Dienstleistungen in Bayern. Rund sechs Prozent aller Beschäftigten im Freistaat, davon allein rund 95.000 in Pflegeheimen und weitere ca. 86.000 in Kindertagesstätten, arbeiten in der Sozialwirtschaft. Als Verband unterstützt die Freie Wohlfahrtspflege Bayern ihre Mitglieder durch Koordination und Absprachen bei der Realisierung von Zielen, mit denen sie ihren Beitrag dazu leisten, Bayern sozial zu gestalten.