Im Landkreis Erding bietet das Frauenhaus des BRK-Kreisverbands Erding eine sichere Anlaufstelle für Frauen, die unter anderem unter psychischer und physischer Gewalt leiden. Aktuell wohnen dort drei Frauen und sechs Kinder. Steffi Irmscher-Grothen leitet die Frauenbereiche des Kreisverbandes Erding, zu dem neben dem Frauenhaus auch der Frauennotruf, die Interventionsstelle und das Second-Stage-Programm gehören. Unterstützt wird sie dabei von sieben Sozialpädagoginnen und einer Erzieherin. Zusätzlich erhalten die Mitarbeiterinnen Hilfe von 11 Ehrenamtlichen. Anlässlich des Weltfrauentags berichtet sie von ihrer Arbeit, den damit verbundenen Herausforderungen und was besser werden muss.
Wie groß ist der Bedarf nach dem Frauenhaus?
Das Frauenhaus kann fünf Frauen und 7 bis 9 Kinder aufnehmen. Wir haben ein Einzelzimmer und vier Familienzimmer. Neben diesen umfasst das Haus eine Gemeinschaftsküche, einen Garten und ein großes Spielzimmer. Im Durchschnitt bleiben die Frauen sechs Monate. Im Jahr 2024 haben wir insgesamt 20 Frauen aufgenommen und somit eine deutliche Steigerung des Schutzbedarfs festgestellt.
In welchem Fall kann ich mich an das Frauenhaus wenden?
Erlebt eine Frau physische, psychische, sexualisierte und/oder wirtschaftlich ökonomische Gewalt, hat sie ein Anrecht auf einen Schutzraum im Frauenhaus. Es müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Frauen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind oder unter einer unbehandelten psychischen Erkrankung leiden können von uns nicht aufgenommen werden. Aber auch eine Suchterkrankung und Mädchen unter 18 Jahren können keinen Schutzraum beziehen. Frauen mit mehr als drei Kindern und männlichen Jugendlichen bis zum vollendeten 12. Lebensjahr können wir auf Grund der Größe des Hauses keinen Platz anbieten. Diese versuchen wir an andere Häuser weiter zu leiten. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Kosten für den Platz gedeckt werden können.
Was kostet ein Aufenthalt im Frauenhaus?
Die Kosten für einen Aufenthalt im Frauenhaus Erding belaufen sich in diesem Jahr auf 10 € pro Tag und 25 € pro Monat an Nebenkosten. Bei Bürgergeldempfängerinnen übernimmt das Jobcenter die Kosten.
Wie können Sie die Sicherheit der Frauen gewährleisten?
Das Haus ist mit einem speziellen Sicherheitssystem sowie Kameras und speziellen Schlössern ausgestattet. Dennoch finden manche gewalttätige Partner ihre Frauen durch Eigenverschulden der Klientin. Hier spielt der Verlust des alten sozialen Umfeldes eine große Rolle und das Kontakthalten über diverse Social Media-Kanäle.
Tendenziell fällt einer Frau die Trennung vom Partner, trotz der erfahrenen Gewalt, schwer, da neben dem Verlust auch die finanziellen Sorgen und Zukunftsängste im Mittelpunkt stehen. Sie sehen sich der Herausforderung gegenübergestellt, plötzlich alles allein bewältigen zu müssen. Eine Frau braucht statistisch gesehen sieben Anläufe, um sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen.
Was muss in Zukunft besser werden?
Das Gewalthilfegesetz, das vom Bundesrat beschlossen wurde, ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang zu Schutzräumen und Beratungsangeboten – doch dieser Rechtsanspruch greift erst ab 2032. Frauen sollten für ihren Schutz nicht zahlen müssen. Zudem sollte die Anzahl an Schutzplätzen erhöht werden. Die hohe Bürokratie ist ein zusätzlicher Faktor, der es den schutzbedürftigen Frauen und ihren Kindern erschwert, die Hilfe und Unterstützung zeitnah zu bekommen die sie dringend benötigen.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie?
Bei Behördengängen fehlen uns die Dolmetscher. Aber die größte Herausforderung ist die generelle Finanzierung. Im Laufe eines Jahres fallen viele Kosten an, die von den Fördergeldern nicht gedeckt werden können. So braucht es z.B. neues Mobiliar oder nach einem langen Aufenthalt auch mal eine intensive Renovierung eines Raumes. Auch der Mangel an sozialem Wohnraum oder fehlende Kitaplätze stellen eine Herausforderung dar. Denn wenn diese vorhanden wären, könnten die Frauen mit ihren Kindern das Frauenhaus schneller wieder verlassen.
Wie wird das Frauenhaus finanziert?
Die Finanzierung erfolgt durch die Regierung, die Kommune und den Kreisverband Erding, welcher mit 10% Eigenanteil beteiligt ist. Ein genauer Nachweis der verwendeten Gelder ist unumgänglich. Trotzdem müssen wir festhalten, dass nicht alle Kosten über diese Finanzierung gedeckt werden können. Daher sind finanzielle Spenden sehr willkommen. Hier liegt es uns am Herzen diese dann auch für alle sichtbar zu machen, z.B. durch unsere intensive Öffentlichkeitsarbeit. Die Spenden nutzen wir z.B. für therapeutisches Reiten, Therapiehund Lenny oder für die Anschaffung von neuen Fahrrädern oder Kinderspielzeug, sowie die Instandhaltung der Räumlichkeiten des Frauenhauses.
Erleben Sie auch schöne Momente in Ihrem Beruf?
Es ist schön zu sehen, wenn es die Frauen schaffen, aus dem Umfeld der Gewalt herauszukommen. Die ersten Schritte in das selbstbestimmte und gewaltfreie Leben sind durch viele Höhen und Tiefen geprägt. Durch dieses Tal der Emotionen, dürfen wir die Frauen in all ihren Facetten erleben und begleiten und wir freuen uns mit ihnen über jeden noch so kleinen Fortschritt, bis hin zum Auszug aus dem Haus, in eine eigene Wohnung.
Wie kann es für die betroffenen Frauen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus weitergehen?
Hier greift unser Second-Stage-Programm. Die Frauen haben hier die Möglichkeit für weitere 12 Monate einen eigenen Wohnraum zu beziehen. Voraussetzung jedoch ist, dass sie psychisch stabil sind und keiner Gefahr mehr ausgesetzt sind. Sie werden hier von zwei Kolleginnen begleitet, die sie bei der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen, um die Autonomie und Selbstbestimmung der Frauen und ihrer Kinder zu stärken,
Zusätzlich bietet der Kreisverband Erding einen Frauennotruf an. Seit der Coronavirus-Pandemie sind die Zahlen gestiegen. Im Jahr 2024 führte der Frauennotruf 627 Beratungen durch.
Weitere Informationen: https://www.brk-erding.de/index.php/angebote/frauennotruf