Die Möglichkeiten, die sich durch neue Technologien eröffnen, lassen sich konsequent bei der wichtigsten Aufgabe, die eine Hilfsorganisation überhaupt haben kann, nutzen: dem Dienst am Menschen. Ein komplexes System, wie das der Hilfeleistung und Pflege, erfordert Konzepte, die auf Fortschrittsdenken und das Ausschöpfen aller zur Verfügung stehenden Ressourcen setzen. Zukunftsweisende Lösungen steigern hier das Verbesserungspotenzial enorm.
Das BRK ist schon jetzt Innovationstreiber und wird auch in Zukunft die vielfältigen Kompetenzen nutzen, die ihm als größte Hilfsorganisation im Rettungswesen, als bedeutender Wohlfahrtsverband und mit Spezialisten aus seinen fünf Gemeinschaften zur Verfügung stehen, konsequent nutzen, um das Wohlergehen der Menschen mittels Innovationen dauerhaft zu verbessern.
In den letzten Jahren hat das BRK bereits zahlreiche neue Technologien auf den Weg gebracht, die die Versorgung von Patienten und Hilfsbedürftigen verbessern. Viele neue Projekte sind in der Entwicklung.
Der Innovationsdrang im Bayerischen Roten Kreuz ist enorm. Es vergeht nahezu keine Woche, in der nicht ein Mitglied auf mich zukommt und mich mit neuen Ideen begeistert.
Leonhard Stärk, BRK-Landesgeschäftsführer
Um das volle Innovationspotenzial auszuschöpfen, arbeitet die Hilfsorganisation eng mit der Politik, mit Dienstleistern, Hochschulen, Krankenhäusern und anderen Hilfsorganisationen sowie Wohlfahrtsverbänden zusammen. So stärkt das BRK den Technologie- und Innovationsstandort Bayern nachhaltig.
Durch meine Arbeit bei der Hightech-Offensive für den Freistaat Bayern weiß ich, dass bei der Entwicklung und Nutzung neuer Technologien Kooperationen unerlässlich sind.Deshalb forcieren wir die Zusammenarbeit mit Dritten, um nicht nur innovativ, sondern auch effizient zu sein.
Dr. Paul Wengert, BRK-Vizepräsident
Mehr Qualität und Geschwindigkeit im Rettungsdienst
Die Novellierung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes macht die Vereinheitlichung und Digitalisierung der Dokumentation der medizinischen Einsatzdaten erforderlich. Diesem Auftrag folgte das BRK im Rahmen des Projekts Telematik II gemeinsam mit der Firma medDV. Das Ergebnis des gemeinsamen Entwicklungsprozesses ist eine echte Bereicherung: das NIDApad. Mit dem für den Retteralltag robust gebauten, Spritzwasser-geschützten und sturzsicheren Gerät, das sich auch mit Handschuhen bedienen lässt und dessen Display sogar bei Sonne lesbar ist, werden die Einsatzdaten ohne Papiereinsatz effizient via Multitouch-Display erfasst und teilweise automatisiert von medizinischen Geräten übernommen. Patientendaten werden mithilfe von Kartenlesern für Versicherten- und Gesundheitskarte eingespielt, Diagnose und Maßnahmen via Multitouch-Display protokolliert. Diese Prozessoptimierung verbessert die Voranmeldung und Patientenübergabe an die Notaufnahmen in den Krankenhäusern, das Qualitätsmanagement sowie die zentrale Abrechnung.
Die Prozessoptimierung, die wir dank der neuen Lösung mit dem NIDApad erzielen, geht weit über den gesetzlichen Auftrag zur einheitlichen, elektronischen Erfassung und Auswertung von Patientendaten hinaus.
Christoph Schneider, Projektleiter Telematik-Systeme
Doch schon jetzt ist der Blick in die Zukunft gerichtet, die neue Generation des NIDApads ist in der Entwicklung: Mit größerem Display, zwei Modems, WLAN, zwei aktuellen Kameras und zwei Akkus, die sich während des Betriebs wechseln lassen, wird es unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte des BRK noch besser an die Anforderungen beim Einsatz angepasst.
Wir hoffen auf Unterstützung von Kostenträgern und Politik, um im Jahr 2018 nach und nach auf diese aktuelle Hardware umsteigen zu können.
Christoph Schneider, Projektleiter Telematik-Systeme
Ein wichtiger Schritt: Denn mit den neuen Innovationen steigern sich die Leistungsfähigkeit sowie Betriebsfähigkeit des Geräts in der Gegenwart und gleichzeitig ist man auf zukünftige Entwicklungen, wie zum Beispiel videogestützte Lagebeschreibungen, bereits vorbereitet. Der Rettungsdienst des BRK ist auf vielen Ebenen fortschrittlicher Partner im Rettungswesen. Innovation wird hier täglich neu gedacht. So wird unter dem Stichwort „Big Data“ über Konzepte nachgedacht, mit denen sich große Datenmengen nutzen lassen, um Prognosen für wiederkehrende Ereignisse zu erstellen. Mithilfe des bereits bayernweit eingeführten Fahrzeugroutings mittels GPS-Datenbox könnte so beispielswiese ein Fahrzeug auf einer Rückfahrt statt über die Autobahn über die Landstraße geschickt werden, weil hier aufgrund der Erfahrungsdaten und einer Simulation - statistisch gesehen - ein Einsatz passieren könnte. Wenn dies tatsächlich eintritt, wäre die Eintreffzeit zur Hilfe massiv verkürzt. Grundsätzlich plant das BRK, seine eingesetzten Systeme untereinander zu vernetzen und so technisch noch besser aufgestellt zu sein.
Darüber hinaus wird an einem Konzept der „Smartphone-gestützten Ersten Hilfe“ gearbeitet. Der Gedanke: Fast jeder Helfer trägt ein Smartphone bei sich, dessen Standortdaten im Einsatzfall – auf Wunsch – per GPS/Mobilfunk der zuständigen integrierten Leitstelle (ILS) mitgeteilt werden können. Ist ein Notfall in der Nähe, kann der Helfer schnell mit seinem Wissen helfen und die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungswagens überbrücken.
Und auch beim Thema Wissensvermittlung beschreitet der Rettungsdienst des BRK fortschrittliche, neue Wege. Um die Weitergabe von Inhalten zeitlich und räumlich unabhängig zu gestalten (insbesondere aufgrund des Mehrschichtbetriebs sinnvoll), wurde Anfang 2017 die Online-Lernplattform „WissensBox” eingeführt. Hier werden Lerninhalte multimedial aufbereitet und für ein Eigenstudium optimiert.
Eine eindrucksvolle Innovationsbilanz, die in den nächsten Jahren fortgeführt wird, wenn es nach Leonhard Stärk geht: „Es gibt sehr viele technologische Möglichkeiten, den Rettungsdienst der Zukunft zu gestalten. Wir leisten alles in unserer Macht stehende, um wichtige Innovationen schnell zu implementieren. Mit mehr Ressourcen und der richtigen Förderung können wir hier aber noch viel mehr erreichen.“
Die Bergwacht hebt ab
Wer, wie die Bergwacht, nicht nur hoch hinaus will, sondern oftmals muss, für den birgt der Luftraum ein erhebliches Potenzial für innovative Konzepte. Ein Gadget, das seit ein paar Jahren das Interesse der Menschen auf sich zieht wie kein anderes, ist für die Bergwacht bereits zum unverzichtbaren Instrument bei der Erfüllung ihrer Aufgabe geworden: die Drohne. Schon als die Technologie vorrangig für militärische Zwecke genutzt wurde, erkannte die Bergwacht Bayern das große Potenzial für die eigene Arbeit. Ohne zu zögern, begannen die Ehrenamtlichen sich mit der Technologie zu beschäftigen. In technischer Pionierarbeit wurden die ersten Drohnen für den Bergwacht-Einsatz mit dem 3-D-Drucker entwickelt. Neben dem Kompetenzgewinn für die Bergwacht hatte dies auch große Vorteile, was die Kosten inklusive Ersatzteilbeschaffung angeht – statt teuer nachzukaufen, produzierte der 3-D-Drucker auf Knopfdruck das benötigte Teil.
Pionierarbeit, die auch außerhalb der Bergwacht auf ein positives Echo stieß: Im Dezember 2016 gab es für die innovative Einsatzunterstützung aus der Luft einen Preis beim Wettbewerb Helfende Hand. Mittlerweile sind auch kommerzielle Systeme bei der Bergwacht im Einsatz, die Kompetenzen für die Eigenentwicklung werden aber bewahrt und weitergefördert. Ob kommerzielles oder eigenes System, die Vorteile der Arbeit mit der Drohne sind immens. Verhindert beispielsweise starker Nebel einen Helikoptereinsatz, lässt sich mithilfe des „Flugsystems“, so die Bezeichnung, mit der die Bergwacht den negativ behafteten Begriff „Drohne“ ersetzt, ein Aufklärungsflug starten. Anhand der von ihm gesendeten Livebilder verschafft sich der Einsatzleiter einen Überblick und koordiniert entsprechend die Rettungsteams.
Bei dem Aufspüren von Verunfallten sind Drohnen eine unglaubliche Bereicherung. Sie können bei schlechten Sichtverhältnissen starten und dank ihrer Wendigkeit in Winkel und Scharten vordringen, die für Helikopter unerreichbar sind.
Thomas Griesbeck, stellvertretender Geschäftsführer der Bergwacht Bayern
Die Effektivität und die Effizienz der kleinen Helfer stehen außer Frage, aber wie bei jeder neuen Technologie entstehen auch neue Herausforderungen bei ihrer Nutzung. So gibt es beim derzeitigen technologischen Stand beispielsweise Risiken im Luftraum, wenn sich noch andere Objekte dort bewegen. Um hier maximale Sicherheit zu gewährleisten, hat sich die Bergwacht Bayern schon früh die eigene Regel auferlegt, dass der Luftraum frei sein muss, damit das Flugsystem starten kann. Die starke Verbreitung von Drohnen im privaten Bereich hat die Politik mittlerweile dazu veranlasst, ihre Nutzung zu reglementieren. Besonders die definierten „No-Flight-Zonen“ (zum Beispiel Naturschutzgebiete, Menschenansammlungen und Hauptverkehrswege) und die Einschränkung der Nutzung auf Sichtweite können für die Arbeit der Retter im Ernstfall hinderlich sein. Für Hilfsorganisationen müssen hier in Zukunft dringend Ausnahmeregelungen getroffen werden. Bei kommerziellen Flugsystemen wird der Einsatz innerhalb der No-Flight-Zonen bereits technologisch via GPS ausgeschlossen und ein Abheben der Drohnen in diesen Bereichen ist nicht mehr möglich. Hier bieten selbst entwickelte Drohnen wieder klare Vorteile. Sobald Ausnahmeregelungen für Rettungsorganisationen getroffen werden, sind die eigenen Flugsysteme auch in No-Flight-Zonen einsatzbereit. Der Wert der Pionierarbeit bleibt also auch in Zukunft ungebrochen.
Die Wasserwacht behält den Durchblick
Auch die Wasserwacht setzt auf neue, innovative Technologien. Konnten bis dato nur relativ kleine Wasserflächen unter hohem Personal- und Zeitaufwand zwar mittels systematischer, letztendlich aber auf dem Zufallsprinzip beruhender und teilweise sehr aufwendiger Standardsuchmethoden abgesucht werden, ist es mit 3-D-Sonaren und ihren nahezu fotoähnlichen Abbildungen des Gewässergrundes jetzt möglich, vor dem eigentlichen Taucheinsatz den Gewässerboden – auch von größeren Wasserflächen – nach potenziellen Zielpunkten bzw. Hindernissen abzusuchen – und das deutlich schneller als bisher. Die Sonarcrew markiert die im 3-D-Sonar auffälligen Kontakte, Einsatztaucher verifizieren im Anschluss die Fundanzeige, eine Person oder einen Gegenstand und bergen diese gegebenenfalls. Durch dieses Vorgehen kann wertvolle Zeit eingespart und die Ressourcen von ehrenamtlichen Einsatzkräften gezielter eingesetzt werden.
Indem wir vor dem Einsatz der Rettungstaucher das 3-D-Sonar nutzen, um mögliche Suchorte zu identifizieren, steigern wir den Sucherfolg und die Effizienz der Rettungstaucher extrem.
Michael Messtorff, Leiter (SEG)
Doch das Gerät eignet sich nicht nur zur Personensuche bei Ertrinkungsfällen, sondern bildet auch Gegenstände und Unterwasserhindernisse ab, die eine Gefahr in den Badebereichen darstellen. Die Suche kann unabhängig von Gewässertemperatur, Sicht, Verschmutzung und Tageszeit durchgeführt werden. Für die Rettungstaucher ergeben sich reduzierte Tauchzeiten und ein geringeres gesundheitliches Risiko durch Aufsättigung mit Gasen unter Druck. Kurz: Die 3-D-Sonar-Technologie erhöht die Sicherheit in heimischen Gewässern für Schwimmer und Retter.
Weitsicht aus Verantwortung
Zukunftsorientiert, richtungsweisend, fortschrittlich: Mit innovativen Konzepten ist das BRK ein starker Partner bei allen Fragen, die das komplexe Hilfeleistungssystem und die Versorgung der Menschen im Freistaat betreffen. Doch Kreativität, Weitsicht und der Mut, in neue Richtungen zu denken – all dies bedarf eines soliden Fundaments. Innerhalb der Förderung der medizinischen Landschaft Bayerns müssen das Hilfeleistungssystem und die Pflege daher stärker berücksichtigt werden. Denn ohne Initiative wird aus einem vielversprechenden Morgen schnell ein in Stagnation verharrendes Gestern.
Wir forcieren die Zusammenarbeit mit Dritten, um nicht nur innovativ, sondern auch effizient zu sein.
Dr. Paul Wengert, BRK-Vizepräsident