Martina Pöhlmann ist Ausbilderin bei der Kreiswasserwacht Kulmbach in der Ortsgruppe Mainleus. Letztes Jahr hat sie einen Schwimmkurs für Kinder mit Behinderung durchgeführt. Wir haben mit ihr über dieses Best-Practice-Beispiel gesprochen.
Sie haben gerade einen Schwimmkurs für Kinder mit Behinderung erfolgreich abgeschlossen. Können Sie uns ein bisschen davon erzählen?
Letzten Sommer erhielt ich einen Anruf vom Großvater eines Jungen mit einer Spastik im Bein. Er hatte keine Chance in normalen Schwimmkursen unterzukommen, weshalb er mich um Einzelunterricht bat. Aber das in einem Ehrenamt zu leisten ist schwierig. Wie es der Zufall so will, hatte eine meiner Kolleginnen eine Schwimmkurs-Anfrage von Zwillingen mit Behinderung, eine mit einer Spastik, die andere mit einer geistigen Behinderung. Schließlich kam noch ein viertes Kind, das ebenfalls spastisch, halbseitig gelähmt und auf einem Auge blind war, hinzu. Und so hatten wir unseren Kurs zusammen. Im Freibad sind wir gestartet und im Winter ins Hallenbad gewechselt. Mit den Corona-Auflagen war es mehr als schwierig, aber meine Kollegin Birgit Kleinheinz ermöglichte den Kurs im Hallenbad Bayreuth. Dieses Frühjahr haben wir den Kurs erfolgreich abgeschlossen und der nächste steht in den Startlöchern.
Für Kinder mit welchen Behinderungen ist der Kurs noch geeignet und wo müssen Sie eine Grenze ziehen, auch aus Sicherheitsgründen?
Grundsätzlich können wir so einen Schwimmkurs für jeden anbieten, aber immer mit dem Vorbehalt, dass wir nicht wissen, wie weit wir kommen. Am Anfang müssen die Eltern dabei sein oder eine 1-zu-1-Betreuung gewährleistet sein. Denn gerade zu Beginn sind die Ängste und die Unsicherheit groß. Auch wenn die Kinder im Wasser stehen können, haben sie durch ihre Behinderung oft Probleme mit dem Gleichgewicht und man muss sofort eingreifen können.
Auf welche Besonderheiten muss man als Ausbilder achten, braucht es ein spezielles Schwimmbad, mehr Ausbilder oder andere Hilfsmittel?
Wie gesagt müssen die Eltern mit dabei sein, gerade am Anfang. Vom Bad her wäre ein Becken mit Hubboden ideal. Das hatten wir glücklicherweise, aber den Hubboden konnten wir nur nutzen, wenn wenig Betrieb war. Im Sommer hatten wir das Problem, dass die Kinder relativ warmes Wasser brauchen, weil sie sich weniger bewegen. Im Freibad war das schon schwer, nach 15 Minuten war die Grenze für die Kinder erreicht. Wir haben Pausen für’s Aufwärmen gemacht, ansonsten lohnt es sich nicht zu trainieren.
Welche Ergebnisse konnten Sie mit den Kindern erzielen?
Zwei Kinder konnten sehr schnell das Seepferdchen machen. Das halbseitig gelähmte Kind kann sich auf dem Rücken 10m über Wasser halten. Aber die schwimmerischen Erfolge sind nicht alles. Zuerst mussten Ängste abgebaut werden, auch die der Eltern. Was kann ich meinem Kind zumuten? Es ist wichtig, dass sie dabei sind und die Fortschritte ihrs Kindes selbst sehen. Auch mich haben die kleinen Erfolgserlebnisse besonders gefreut. Ein Junge war dabei, der erstmal alles blöd fand, aber als er dann untertauchen und von selbst wieder hochkommen konnte, war das für ihn ein Riesenerfolg. Generell muss man differenzieren: sich mit einem Hilfsmittel vorwärtsbewegen ist für diese Kinder sehr viel, auch wenn es kein Schwimmen im klassischen Sinn ist. Gerade Kinder mit Behinderung, die oft mit Misserfolgen zu kämpfen haben, freuen sich umso mehr, wenn sie sagen können: Ich schaffe das auch! Und das macht auch mich als Trainerin richtig stolz.
Welche körperlichen Vorteile bringt der Kurs neben der Schwimmfähigkeit noch mit sich?
Von den Eltern haben wir sehr viel positives Feedback bekommen, auch zur Entwicklung der Spastiken. Diese sind kopfgesteuert, d.h. bei einem Kind mit vielen Ängsten sind die Spastiken ausgeprägter. Wenn diese Ängste aber abgebaut werden, wie es in unserem Kurs der Fall war, bauen sich auch die Spastiken sichtbar ab. Die Kinder werden lockerer und entspannter.
Was wollen Sie anderen Ortsgruppen mit auf den Weg geben, die einen Schwimmkurs für Kinder mit Behinderung anbieten wollen?
Man muss offen sein für alles und eigene Erfahrungen machen, denn jedes neue Kind im Kurs ist ein neues Individuum. Erst vor kurzem habe ich den nächsten Kurs gestartet und wurde vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Da ist ein kleinwüchsiges Mädchen dabei, das wir mit Schwimmgürtel und Brett ausstatten müssen, das aber unempfindlich ist gegenüber Wasserspritzern oder Tauchen. Die Mutter hat eine tolle Wassergewöhnung vorab geleistet. Ein autistisches Kind ist dabei, für uns eine komplett neue Aufgabe. Man muss in jede Richtung denken und darf nie sagen „Das geht nicht“. Erfahrene Schwimmlehrer, die viele Kurse gehalten haben, in Kombination mit jungen Leuten sind eine ideale Basis – die Mischung macht’s. Lehrmaterial ist schwierig zu finden, offen sein ist die wichtigste Voraussetzung.
Ihr habt weitere Fragen oder wollt selbst einen solchen Kurs auf die Beine stellen? Schreibt an die OG Mainleus: ortsgruppe-mainleus(at)wasserwacht(dot)bayern